Schachschule Quiz Challenge #23

Challenge
Der Zug ...c6-c5 von Schwarz war ein Positionsfehler. Hikaru Nakamura schaffte es nun mit zwei präzisen Zügen, eine strategisch fast gewonnene Stellung zu erreichen. Wie hat er das gemacht?
Auflösung
Dank der halboffenen f-Linie und des auf e4 mächtig zentralisierten Springers steht Weiß besser. Aber auf den ersten Blick scheint es, als sei Schwarz noch voll in der Partie. Auf der halboffenen d-Linie könnte er Druck gegen den Bauern d3 entwickeln, und langfristig könnte er von seiner besseren Bauernstruktur profitieren. Weiß schleppt auf der g-Linie einen isolierten Doppelbauern mit sich herum, der zum Ziel schwarzer Attacken werden kann.
Bestimmt hat der norwegische Großmeister Aryan Tari, der in dieser Partie, gespielt 2023 in Norwegen, die schwarzen Steine führte, auf solche Perspektiven spekuliert. Aber er hatte eine konkrete Lösung für Weiß übersehen oder unterschätzt, die die Position binnen zwei Zügen in eine für Weiß überwältigende, fast schon gewonnene verwandelt. Der letzte schwarze Zug …c6-c5 wird sich sogleich als strategischer Fehler entpuppen.
Hikaru Nakamura zog 1.La2xb3!, ein Zug, der nicht auf Anhieb auffällt. Generell vermeiden wir es, Läufer gegen Springer zu tauschen, da in den meisten Konstellationen die langschrittigen Läufer etwas stärker sind als die Springer mit ihrem begrenzten Radius. Aber hier ist der Zug der beste, Teil eines Plans, eine Konstellation zu schaffen, in der der Springer stärker ist als der Läufer.
Auf 1…axb3 folgte 2.c3-c4! …
… und Nakamuras Konzept wird greifbar. Auf dem Brett steht fast ein klassischer Fall von „schlechter Läufer gegen guten Springer“, reif fürs Lehrbuch (bzw. die Millennium-Schachschule).
Während der weiße Springer auf einem zentralen Posten unvertreibbar ins schwarze Lager wirkt und den Bauern auf c5 schon unter Druck setzt, ist der schwarze Läufer eingeschlossen. Die Bauern auf c5 (darum war …c6-c5 ein Fehler!) und e5 nehmen ihm jegliche Bewegungsfreiheit. Schwarz hat keine Hebel, keinen Weg, seinen Läufer zu befreien. Die einzige Bauernspannung b5-c4 wird Weiß aufrechterhalten, damit der Bauer c5 blockiert bleibt.
Hikaru Nakamura hatte den Weg gefunden, eine Stellung herbeizuführen, in der sein Springer dem gegnerischen Läufer klar überlegen ist.
Im Prinzip gibt es zwei Konstellationen, in denen Springer stärker sind als Läufer.
- Wenn, wie hier, die Stellung blockiert ist und dem Läufer Raum zum Manövrieren fehlt oder
- wenn der Springer auf einem zentralen Vorposten in der gegnerischen Bretthälfte eingepflanzt ist (und nicht vertrieben werden kann).
Auch dann ist der Springer oft die dominierende Leichtfigur auf dem Brett. Wir haben an dieser Stelle auch solche starken Vorposten-Springer schon gesehen.
Beenden wir unseren Ausflug in das ewige Schachstrategie-Thema Springer vs. Läufer mit einem Bonmot des 2025 gestorbenen tschechisch-deutschen Großmeisters Vlastimil Hort. Der hat augenzwinkernd auf eine dritte Konstellation hingewiesen:
Der Hinweis des einstigen WM-Kandidaten Hort hat nichts mit Bauernstrukturen, schlechten Läufern oder sonstigen strategischen Erwägungen zu tun, sondern damit, dass der Springer die taktisch trickreichste Figur auf dem Brett ist. Im Blitzschach mit wenigen Minuten auf der Uhr ist der Rösselsprung des Springers viel schwieriger vorherzusehen als die geradlinigen Züge anderer Figuren auf ihren Linien oder Diagonalen. Einen Schachspieler, der im Blitz noch nie auf eine Springergabel hineingefallen ist, gibt es wahrscheinlich nicht.